Fette Beute

Ein typischer Zwischenfall beim Shoppen mit meiner Mum, ihres Zeichens Spezialistin für die öffentliche Demütigung Anverwandter, ereignete sich in ihrer Lieblingsklitsche, dem Breuninger (Schwaben wissen was das für ein Laden ist).

Mum probiert „Jäckchen“ an, während die gelangweilte Ivy durch die Gänge schlendert und schliesslich ein absolut unglaubliches T-Shirt findet, dass original so aussieht als hätte man es in den 70ern aus einer grüngemusterten Tapete geschneidert. Hinreißend schräg, sogar für die diesjährige Modesaison fernab der Normalität. Ivy schleppt ihre Entdeckung entzückt zu Mum, die dazu meint: „Dein Geschmack war schon immer eigenwillig, damit hab ich gelernt zu leben, aber diesmal übertriffst du dich sogar selbst.“ sagts und dreht sich zu der geknechteten Verkäuferin um, die für Mum die Zofe gibt und setzt zu einem ihrer berüchtigten Monologe an:

„Wissen Sie, das Kind wollte ja nie was Modisches anziehen als sie noch klein war – ach, sie war ja so ein hübsches Kind – aber schwierig. Und sie wollte nie das anziehen, was ich ihr ausgesucht habe. Auch nichts das einfach nur normal war. Oder etwas das ich geschneidert habe ? Niemals. Wissen Sie, ich war mal Schneiderin. Berufsschullehrerin in Heilbronn sogar.“

Wechsel in ein neues Jäckchen.

Tapete_1„Wenn wir einkaufen waren und sie sollte was anprobieren, dass ihr nicht gefiel, hat sie sich einfach auf den Boden gelegt und solange die Luft angehalten, bis sie blau angelaufen ist. Sie sollte es ja nur versuchen, aber nein, dieses Kind doch nicht. Die Verkäuferinnen haben sogar mal wegen dem Kind den Notarzt ins Kaufhaus gerufen. Furchtbar, wirklich… “

Neues Jäckchen wird diensteifrig angedient.

„Nein das nicht… Was die Verkäuferinnen damals wohl gedacht haben. Vermutlich, dass das Kind völlig durchgeknallt ist. Einmal, da hat sie sich in einem Kleiderrondell versteckt, weil ihr ein ganz reizender Hosenanzug nicht gefiel. Das ganze Shoppingcenter hat das Kind gesucht, sogar die Sicherheitsbeamten. Und das Kind sitzt…“

„Mum, das _Kind_ ist Mitte 30, steht hinter dir und hört was du sagst“

„Es war aber doch so. Du sahst zwar aus wie ein kleiner Engel, aber ehrlich, du warst so ein borstiges kleines Wesen.“ Zur Verkäuferin:“Haben Sie das auch einen Ton dunkler?“ Verkäuferin nickt und hält ein neues Jäckchen hoch wie eine Trophäe.

„Erinnern Sie sich noch an den Breuni-Kindergarten, der war doch früher oben im dritten Stock, da konnte man die Kinder abgeben damit man in Ruhe einkaufen kann“ Nicken seitens der Einkaufshilfe. „Das waren ja immer so nette Betreuerinnen und die konnten ja so gut mit den Kleinen, wirklich furchtbar nett. Das ganze Personal hier ist immer so freundlich und geduldig. Meine Tochter sagt zur Begrüßung zu der Kindergärtnerin – kennen Sie die noch, die große Blonde.“ Kopfschütteln. „So eine nette Person… aber das Kind geht hin und sagt zu der Frau, als die ihr so einen Breunibär in die Hand drücken will: ‚Sparen Sie sich ihr Eititei doch für Kinder , die Ihnen intellektuell näher stehen.‘ Unglaublich peinlich. Da war das Kind grade mal 4. Ich sag Ihnen… ja die Farbe ist prima… also mit dem Kind wars nie einfach, da hat der Wahnsinn ganz fette Beute gemacht.“

Ivy halluziniert vom Muttermord, bricht aber stattdessen lachend samt einem Kleiderständer zusammen, als die Verkäuferin nach einem kritischen Blick auf Mum samt Jäckchen meint: „Naja, irgendwo muss das Kind die Gene wohl her haben.“

8 Gedanken zu “Fette Beute

  1. Haha, eine herrliche Geschichte. Verrät einiges über Deine Mutter, aber noch mehr über Dich 🙂
    Ist aber langsam verwirrend, wann Du wo gelebt hast, bist Du im Kleinkindalter zwischen den USA und Breuningerland gependelt oder wie?

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  2. @Simone… ist es nicht grauenhaft solche Menschen in der Verwandschaft zu haben?

    @Sebastian: Ein einfacher Trick – eine Oma in Deutschland und eine in Italien, eine reisefreudige Familie… wir waren jeden Sommer hier und/oder in Italien… oder hier oder da oder woanders… aber Klamotten gekauft wurden nur in D, während die Schuhe heute noch am liebsten in I gekauft werden^^

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  3. Meine Mum tendiert da eher zu Reaktionen wie: „Nehmen Sie das Kind nicht ernst – es ist ein laufendes Manifest gegen Autoritäten“ oder „also an meiner Erziehung liegt das nicht, das muss das liberale Umfeld sein“… 😛

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